Alles über den Teufel - Höllentopografie, Dämonologie und Folterkunde


Über diese offenbar fiktive Person mit großem Einfluss auf die Menschheit ist im Laufe der Jahrhunderte durch die Arbeit sehr vieler, heute meist vergessener Gelehrter, sehr viel bekannt geworden. Nehmen wir nur den christlichen Kulturkreis. Hier hat man durch intensive Forschungsarbeit herausgefunden, dass er

a) ein gefallener Engel ist, der einst gegen Gott rebellierte; 
b) der gestürzte Sohn der Morgenröte („Luzifer“ – der Lichtbringer) ist; 
c) als „Zeuger“ der Nephilim in Erscheinung trat (Henochbuch); 
d) abgrundtief böse ist und die Menschen zur Sünde verleitet; 
e) seine Gestalt beliebig ändern kann, im Original aber nicht sonderlich attraktiv sein soll; 
f) von einem intensiven Körpergeruch geplagt wird, der irgendwie stark an den Geruch von brennendem Schwefel erinnern soll; 
g) über „Fliegen“ herrscht („Mephistopheles“) und Chef der Hölle ist; 
h) eine Gehbehinderung aufweist (spezieller Klumpfuß); 
i) zwar mächtig, aber nicht so allmächtig ist wie der „Allmächtige“ selbst; 
j) im Himmel ab und an nicht ungern gesehen wird (Prolog zu Faust I); 
k) sich gerne mit Hexen paart (als Incubus); 
l) drei goldene Haare und eine Großmutter hat (Gebrüder Grimm) 

und manchmal als zwar verschlagener, aber durchaus nicht unangenehmer Zeitgenosse mit hoher Bildung auftritt (Goethes „Faust“) und dabei selbst die Stasi in Erklärungsnot bringen kann (beispielsweise, als er noch kurz vor der Wende anlässlich eines Besuchs von Ostberlin (und dabei getarnt als Prof. Jochanaan Leuchtentrager von der Hebräischen Universität Jerusalem) dem dortigen Prof. Siegfried Beifuß vom „Institut für wissenschaftlichen Atheismus“ den Hals umdrehte, um ihn danach schnurstracks in die Hölle zu verfrachteten (die es ja nach Meinung des Herrn Professors Beifuß ja gar nicht geben dürfte) – ein sehr lebendig gehaltener Augenzeugenbericht über die erste Flugphase dorthin (über die „Mauer“) kann übrigens Stefan Heyms Roman „Ahasver“, der ansonsten vom „ewigen Juden“ handelt, entnommen werden). 

Noch einiges mehr hat die „Höllenforschung“ (deren Kritik nach Meinung eines bekannten evangelischen Bischofs ja gerade eine Stärke der modernen Theologie ist) herausgefunden, deren Ernsthaftigkeit aber seit Beginn der Aufklärung (Kant) leider immer mehr in Zweifel gezogen wird. 

Immerhin hat sich im Laufe der Geschichte eine ganze Anzahl von Koryphäen äußerst akribisch mit diesem heute nur noch wenig beackerten Wissenschaftszweig auseinandergesetzt, wobei sich völlig neue Forschungsgebiete auftaten wie z. B. die Höllentopografie (beschäftigt sich mit dem physischen Ort der Hölle und dessen vielfältiger Innenausstattung), die Dämonologie (ihr Gegenstand ist die Katalogisierung, die Beschreibung des Aussehens sowie die Beschreibung der einzelnen Aufgabengebiete des unendlich reichhaltigen Fachpersonals der Hölle) sowie die Folterkunde (beschäftigt sich äußerst phantasievoll mit den Körper- und Seelenstrafen (Poena positiva und Poena privativa), welche die Sünder in der Hölle zu erwarten haben). Aber auch wichtige philosophische Fragen sind in diesem Zusammenhang auf vielen Foliantenseiten entsprechend umfangreicher wissenschaftlicher Werke mit großer Spitzfindigkeit abgehandelt worden, so wie z. B. die eng mit der „ewigen Höllenstrafe“ im Zusammenhang stehende wichtige Frage, wie lange denn eigentlich solch eine „Ewigkeit“ dauert. 

Einer der bedeutendsten Höllentopographen war ohne Zweifel der Mailänder Universitätsprofessor Antonio Rusca, dessen 1621 erschienenes Werk „De inferno et datu daemonum ante mundi exitum…“ welches der geneigte, Latein verstehende Leser, bei Google Books in einer studieren kann. Er widerlegt darin im Sinne einer wissenschaftlichen Quellenkritik eine große Anzahl unrichtiger Behauptungen seiner Fachgenossen, um dann mit bestechender Logik den Nachweis zu führen, dass die Hölle weder am Nord- noch am Südpol, weder auf dem Mond noch auf der Sonne und auch auf keinem Kometen zu suchen sei, sondern dort, wo man sie eh schon immer vermutet hat – im Schoß der Erde. Der Beweis dafür ist offenkundig – die Lüftungskamine der Hölle sind nämlich nichts anderes als die Vulkane! 

Mehr mit der Inneneinrichtung der Hölle befasst sich dagegen das Werk „Grausame Beschreibung und Vorstellung der Hölle und der höllischen Qual – oder des andern und ewigen Todes – in teutscher Sprache nachdenklich und also vor die Augen gelegt – daß einem gottlosen Menschen gleichsam die höllischen Funken an noch in dieser Welt ins Gewissen stieben – und Rükk-Gedanken zur Ewigkeit erwekken können“ von Justus Georg Schottelius (1612-1676), der es immerhin bis zum Braunschweig-Lüneburgischen Hof- und Kammerrat und „Prinzenerzieher“ am Wolfenbütteler Hof gebracht hat. Sein literarisches Erbe ist enorm und das genannte Werk darin thematisch eher ein Ausreißer. Aber es hat es in sich. Schon das Eingangs-Kupfer lässt einen das Blut in den Adern gefrieren (man google das digitale Faksimile im Internet!). Damit diese furchterregende Illustration keinesfalls falsch gedeutet wird, beginnt der Autor dieser gelehrten Abhandlung mit deren genauen Erläuterung, deren Inhalt hier ausnahmsweise als „Kostprobe“ wiedergegeben werden soll: 

Als der Prophet Esajas V.v.14. sagt: Die Hölle hat die Seele weit aufgesperret / und den Rachen aufgethan ohn alle masse / daß hinunter fahren beide die Herzlichen und Pöbel / beide die Reichen und Frölichen: Solches deutet der KupfferTitul an: Auch der in der Hölle ewig herrschender Anderer Tod sitzet oben auff / und hält die Höllen-Schlange / den nicht-sterbenden Gewissens-Wurm / unzertrennlich bey sich. Was in dem Grunde und Boden / in denen grossen brennenden Schwefel-Pfulen der Hölle für ewigwehrende Marter / Angst / und Betrübniß verhanden / solches steht geschrieben auff denen unten heraußstehenden drei grossen BakkenZähnen / als die brennende Marterqual / die drukkende Angstqwal / und die beissende Reuquaal: welche die drei andere oben heraußragende grosse HöllenZähne gleichfals zustimmen / und durch den grausamen Zusammenbiß und Zuschluß des erschrecklichen HöllenRachen andeuten / wie es unaußsprechliche Qwaalwesen sein und bleiben müsse / unendlich / unvergleichlich / unabwendlich: O weh / und ewig weh! wegen dieser Unendlichkeit / Unvergleichlichkeit / Unabwendlichkeit: Darin zugleich die allergrausamste bitterste Verzweiffelung mit eingeschlossen bleibet. In den HöllenRachen kann man zwar hinnein schauen / und die in feuriger Angst und Qwaal winselnde Menschen erblikken / aber wie man nicht kann das Ende / also kann man auch keine Enderung ersehen / und wird alles mit der allergrausamsten Ewigkeit um und eingeschlossen.“ 

Nach dieser doch Mut machenden Einleitung geht es dann ins Eingemachte. Man erfährt, welche Strafen den Verdammten dort erwarten: Hunger und Durst sowie Gestank und Dunkelheit, nur erleuchtet durch Pechflammen 1000 Jahre lang (quasi zum Eingewöhnen). Danach erfolgt ein Rösten in Schwefelflammen für bis zu 20.000 Jahre. Wenn man dann noch nicht gar ist, wird man die nächsten 100.000 Jahre mit glühenden Eisen gezwickt usw. usf. Und wenn man schließlich das ganze Programm hinter sich gebracht hat, geht es wieder von vorne los – denn die Höllenstrafen dauern ewiglich. 

Eine bei weitem noch detailliertere Beschreibung der Höllenqualen findet man bei dem Dominikanermönch Battista Manni. In seinem 1677 in Italienisch erschienenen Werk „La Prigione Eterna Dell‘ Inferno“ (bei Google Books einsehbar) untermalt er seine detaillierten Beschreibungen der Höllenqualen auch noch mit entsprechenden Illustrationen, die selbst heute noch zartbesaitete Seelen (soweit sie keine hartgesottene Fans entsprechender Comics sind) zum Erschauern bringen können. Von ihm stammt übrigens die Erkenntnis, dass selbst der reine und unverfälschte Anblick des Teufels bereits eine unerträgliche Strafe sei. Er bestätigt damit den Wahrheitsgehalt der Höllenvisionen der Katharina von Siena (1347-1380), einer außergewöhnlichen Frau, die in einer ihrer vielen Visionen auch mal einen Blick in die Hölle werfen durfte und dabei ganz grässliche Dämonen zu Gesicht bekam. Sie meinte danach „dass sie lieber bis zum jüngsten Gericht barfuß auf mit glühenden Kohlen bedeckten Straßen spazieren gehen würde, als sich nochmals deren Anblick aussetzen zu müssen“. Da sie heiliggesprochen wurde, dürfte ihr der Wunsch, diese Dämonen nicht noch einmal begegnen zu müssen, in Erfüllung gegangen sein. 

Was die detaillierten Höllenbeschreibungen der beginnenden Neuzeit betrifft, fällt auf, dass in ihnen der Teufel selbst meist nur eine untergeordnete Rolle spielt, obwohl er dort Seelenfänger, Verwaltungschef und Aufsichtsperson in Personalunion ist. Aber des Rätsels Lösung findet sich in Faust I, wo er freimütig bekennt 

Da dank ich Euch; denn mit den Toten - Hab ich mich niemals gern befangen. - Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen. - Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus; - Mir geht es wie der Katze mit der Maus.“ 

Ich denke, man könnte sich gut und stilvoll mit ihm bei einem Gläschen Wein über Gott und die Welt unterhalten. Denn an seiner hohen Bildung und Gelehrsamkeit zweifelte selbst noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts niemand. So konnte man im Jahr 1715 an der altehrwürdigen Rostocker Universität immerhin mit der Beantwortung der Frage, ob der Teufel wohl die notwendigen Fähigkeiten für ein erfolgreiches Theologiestudium mitbringe, zum Doktor der Theologie promovieren (die Antwort war übrigens „ja“).

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