Ein paar Gedanken über das ominöse "Nichts"...


Soweit wir uns aber auch der Antwort auf die Frage, was genau während des Urknalls passiert ist, annähern, die alte Frage, der Metaphysik, „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ (in der Formulierung von Gottfried Wilhelm Leibniz), bleibt dabei unbeantwortet. Eine Frage dieser Art ist der empirischen Wissenschaft unzugänglich, da sie auf einer höheren, allgemeineren Ebene angesiedelt ist. Sie ist, kurz gesagt, philosophischer Natur. Martin Heidegger (1889-1976) bezeichnete deshalb die Frage „Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?“ sogar als die zentrale Frage der Metaphysik, die sich allein mit logischen Argumenten nicht beantworten lässt. Ein Schlüsselbegriff ist hier der Begriff des „Nichts“. Er besitzt viele Bedeutungsaspekte, die sich im Falle der genannten Aussage auf die Nichtexistenz des Seienden reduzieren lassen. Die Ambivalenz zwischen Seiendem und Nichtseiendem ist bereits bei den Vorsokratikern (so nennt man die Naturphilosophen, die vor dem Athener Philosophen Sokrates (469 v. Chr. – 399 v. Chr.) wirkten) ein zentrales Thema ihres philosophischen Denkens. 

Mit der Erkenntnis, dass das Nichtseiende weder erkennbar noch erforschbar ist, wie es Parmenides von Elea (zwischen 520 v. Chr. und 460 v. Chr.)) lehrte, konzentrierte man sich nach ihm auf die nähere Bestimmung des Seins und dessen wesentlichste Eigenschaft, der Existenz. Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen werden in der Lehre der Ontologie, also der Lehre von allem, was es gibt, behandelt. Weitere Schlüsselbegriffe sind in diesem Zusammenhang der Begriff der Wirklichkeit (Realität), das Problem der Identität sowie das auf Platon zurückgehende Problem der Universalien (das betrifft Allgemeinbegriffe wie Zahl, Mensch, Gott, Farbe etc. und die Frage, ob sie wirklich existent oder nur „menschliche Konstruktionen“ sind – Stichwort „Universalienstreit“), an dem sich noch heute die verschiedenen „Ontologien“ scheiden. Aber das soll hier nicht das Thema sein. Kommen wir lieber zum beliebten „Urknall“ zurück. 

Man liest, wenn man sich mit Kosmologie beschäftigt, immer häufiger, dass die Welt aus dem „Nichts“ entstanden ist, ohne dass dieses ominöse „Nichts“ näher, ob nun philosophisch oder physikalisch, spezifiziert wird. Für dieses „Nichts“ hat sich in der modernen Physik der Begriff des quantenmechanischen Vakuums eingebürgert, welches sich, wie man heute weiß, ganz grundlegend vom mathematisch denkbaren Vakuum, quasi der absoluten Leere, unterscheidet. Bereits in der Antike hat man das „Nichts“ mit einem anderen Begriff, dem der „Leere“ identifiziert (was zwar philosophisch gesehen eine Einschränkung ist, sobald man dem „Raum“ auch eine eigenständige Existenz zubilligt). Für die Atomisten war das der Raum zwischen den Atomen. Für ihre, der Atomisten, Lehre, war dieser Raum, den man vielleicht als „Mikrovakuum“ bezeichnen kann, notwendig, um die Bewegung der unteilbaren Atome postulieren zu können. 

Da es den meisten antiken Philosophen unmöglich war, das absolut Leere zu denken, wurde es geleugnet (horror vacui) bzw. von Aristoteles mit einem „fünften Stoff“ aufgefüllt. Dieser fünfte Stoff (neben Feuer, Erde, Wasser und Luft), die „quinta essencia“, sollte immateriell, strukturlos und frei von dem in den genannten Elementen enthaltenen Gegensätzen (z. B. warm und kalt, fest und flüssig…) sein. Er soll das gesamte Universum gleichmäßig ausfüllen (Äther) und außerdem die eigentliche Ursache für die Bewegung der Himmelskörper sein. Aus diesem Grund gibt es in der Philosophie des Aristoteles keinen Platz für das Vakuum, während für die Atomisten die Existenz der Leere eine Notwendigkeit ist, um die Bewegung der Atome als inhärente Eigenschaft der Materie überhaupt postulieren zu können. Die Leugnung des Vakuums durch Aristoteles lässt sich als eine direkte Konsequenz seiner Bewegungsauffassung ansehen. Seine Dynamikkonzeption basiert auf den Schlüsselbegriffen Kraft, Geschwindigkeit und Widerstand ("peripatetische Physik"). Dabei ist die Kraft die eigentliche Ursache für einen Bewegungsvorgang. Ein Körper bewegt sich aber nur solange, wie die Ursache, d. h. die Kraftwirkung, anhält. Ab dem Moment, wo keine Kraft mehr wirkt, sollte auch die Bewegung aufhören. Dass diese Behauptung nicht der Realität entspricht, konnte erst rund 2000 Jahre später Galileo Galilei (1564-1642) mit der Entdeckung des Trägheitsgesetzes zeigen. Nach Aristoteles ist demnach die Luft, die sich vor dem fliegenden Pfeil öffnet und sich dahinter wieder schließt, die eigentliche Ursache für dessen Bewegung. Erkennt man diese Aussage erst einmal als richtig an, dann folgt daraus zwingend, dass es ohne Luft auch keine Bewegung geben kann. Die Luft oder der „feinere“ Äther werden damit zu Medien, ohne die eine Bewegung quasi unmöglich ist. Ein völlig leerer Raum ist deshalb im Rahmen der peripatetischen Physik schon rein kinematisch undenkbar. 

Auf diese Weise wurde für die nächsten zwei Jahrtausende der Äther zu einem festen Begriff in den Naturwissenschaften. Die Frage nach der Existenz eines „Vakuums“ wurde erst wieder zu Beginn der Neuzeit aktuell, und zwar weniger aus weltanschaulich-philosophischen Gründen, sondern mehr aus rein praktischen Erwägungen. So war schon vor der Zeit Galileis den Bergleuten bekannt, dass man mit normalen Saugpumpen das Wasser nur ungefähr 9 Meter hoch anheben kann. Aus diesem Grund mussten zur Entwässerung von Bergwerken auch Kaskaden von Pumpen gebaut werden. Die Analyse dieser oft benutzten Geräte brachte das Vakuum als Synonym für den „luftleeren Raum“ wieder in das Blickfeld der Forschung. Evangelista Torricelli (1608-1647), dem wohl bekanntesten Schüler Galileis, gelang es 1644 erstmalig einen luftleeren Raum, ein Vakuum, herzustellen. Er füllte in eine rund 90 Zentimeter lange, an ihrem Ende zugeschmolzene Glasröhre Quecksilber, verschloss sie mit einem Finger und tauchte sie mit der Öffnung nach unten in ein Gefäß, welches ebenfalls Quecksilber enthielt. Nach Freigabe der Öffnung konnte er beobachten, wie sich ein rund 14 Zentimeter langer freier Raum oberhalb der Quecksilbersäule ausbildete. Torricelli äußerte die naheliegende Hypothese, dass dieser Raum völlig leer ist und somit ein Vakuum darstellt. Weitere Experimente bewiesen dann auch, dass er Recht hatte. So konnte man z. B. zeigen, dass sich der leere Raum oberhalb der Quecksilbersäule vollständig mit Wasser füllen lässt und somit wirklich leer ist. Trotz dieser offensichtlichen experimentellen Ergebnisse schieden sich aber gerade an diesem Punkt die Geister. Renè Descartes (1596-1650) war beispielsweise ein entschiedener Gegner der Auffassung, dass sich die Welt in einen „korpuskularen Teil“ und in ein Vakuum aufteilt. Mittels einer scharfsinnigen Argumentation suchte er zu beweisen, dass Raum und Substanz eine Einheit bilden. Für ihn gab es in der Welt nichts als sich bewegende Materie. Dieser Standpunkt kommt auch in folgendem Zitat zum Ausdruck: 

Darin aber scheinen mir viele zu irren, dass sie zwar im Himmel eine Flüssigkeit annehmen, aber ihn wie einen leeren Raum vorstellen, der den Bewegungen anderer Körper keinen Widerstand leistet, aber auch keine Kraft hat, sie mit sich zu nehmen. Denn eine solche Leere kann es in der Natur nicht geben, und allen Flüssigkeiten ist es gemeinsam, dass sie nur deshalb den Bewegungen anderer Körper nicht widerstehen, weil sie selbst eine Bewegung in sich haben, und weil diese Bewegungen leicht nach allen Richtungen hin mit einer derartigen Kraft geschehen, dass sie bei einer bestimmten Richtung notwendig alle in ihnen enthaltene Körper mit sich nehmen, soweit keine andere Ursache sie zurückhält, und sie fest, ruhend und hart sind, wie aus dem früheren erhellt. …“ 

Aufbauend auf der These eines flüssigkeitsähnlichen, den gesamten kosmischen Raum ausfüllenden Äthers entwickelte Descartes in seinem Werk „Principia philosophiae“ (1644) eine Wirbeltheorie, nach der die Bewegung der Himmelskörper ursächlich durch eine Bewegung des Äthers bedingt ist. 

Das Faszinierende an seiner Theorie war, dass es ihm gelang, auf plausibel wirkende Weise die Bewegung der Planeten ganz ohne Fernwirkungskräfte zu erklären. Die große Bedeutung der Cartesianischen Ideen in der Wissenschaftsgeschichte liegt weniger in ihrem sachlichen Gehalt. Wichtiger ist vielmehr, dass Descartes nicht nur die prinzipielle Gleichheit irdischer und kosmischer Gesetze betonte, sondern auch die stoffliche Einheit der gesamten Welt hervorhob. In diesem Zusammenhang kann man durchaus Analogien zwischen seinem stofferfüllten Kosmos und dem quantenmechanischen Vakuum der gegenwärtigen Physik sehen. In den darauffolgenden Jahrzehnten nach Descartes erfreuten sich Versuche mit dem Vakuum wachsender Beliebtheit. Vakua, die durch Auspumpen von Hohlkörpern entstehen, bezeichnet man gewöhnlich als „technische Vakua“. Sie sind von großer praktischer Bedeutung. Der berühmte Magdeburger Bürgermeister und Ratsherr Otto von Guericke (1602-1686) verbesserte beispielsweise die Luftpumpe bis zur Perfektion und konnte mit ihrer Hilfe Gefäße luftleer pumpen. Sein bekanntester Versuch ist wohl der mit den Magdeburger Halbkugeln. 

Er wurde nach seinem Vorschlag 1654 erstmalig durchgeführt und zeigte anschaulich die enorme Kraft des Luftdrucks. Aus dem Innenraum zweier aneinandergesetzter Halbkugeln aus Kupfer ließ er die Luft herauspumpen und es zeigte sich, dass selbst zwei Gespanne von jeweils acht Pferden nicht in der Lage waren, die beiden Halbkugeln zu trennen. Dieses durchaus eindrucksvolle Experiment wird heute noch oft in etwas abgewandelter Form (Pferdemangel) in Physikvorlesungen gezeigt. Weiterhin konnte man schon damals bei weiteren Experimenten feststellen, dass sich im luftleeren Raum zwar Licht, jedoch kein Schall ausbreiten kann. Auch Leben ist im Vakuum nicht möglich. Die Beobachtung, dass sich im Vakuum sowohl Licht als auch Magnetismus ausbreitet (Robert Boyle, 1627-1691) und die von Isaak Newton (1643-1727) postulierte Fernwirkungstheorie der Gravitation zeigte, dass das Vakuum doch nicht völlig eigenschaftslos ist. Denn immerhin musste man ja irgendwie erklären, wieso es möglich ist, dass sich bestimmte Wirkungen durch den leeren Raum ausbreiten. 

Auf diese Weise entstanden verschiedene Konzeptionen eines raumerfüllenden universellen Äthers, der den absoluten Raum Newtons statisch ausfüllen und zugleich als Medium für die Übertragung von Fernwirkungen dienen sollte. Mit Hilfe des Äthers wollte man vordergründig die in der Physik auftretenden Fernkräfte auf die einsichtigere Nahwirkungskräfte zurückführen. Dass sich beispielsweis die Gravitation ohne Vermittlung eines Mediums durch den leeren Raum ausbreitet, erschien selbst Newton als völlig absurd. Trotzdem blieb die Ätherhypothese in seiner Mechanik völlig formal. Das Problem der Wechselwirkung konnte die Physik des 17. und 18. Jahrhunderts noch nicht lösen. Als Alternative zur Newtonschen Fernwirkungstheorie wurden solche dubiosen Stoffe wie der Wärmestoff (Phlogiston) oder die Lichtsubstanz vorgeschlagen. Sie sollten unwägbar und Bestandteile des universellen Äthers sein. Im 18. Jahrhundert ist es dann wieder still um den Äther geworden. Viele Wissenschaftler jener Zeit hatten sich mit der Fernwirkung der Gravitation abgefunden. Die Newtonsche Mechanik, ihr axiomatischer Aufbau und ihre erstaunliche und oft bewunderte Vorhersagekraft wurden schlechthin zum Inbegriff einer wissenschaftlichen Theorie. Neben der Mechanik wurde zu dieser Zeit besonders die Optik gepflegt. Zielgerichtete Experimente und theoretische Untersuchungen führten zu einer Wiederentdeckung der von Christian Huygens (1629-1695) in seiner „trait’de lumie’re“ im Jahre 1678 niedergelegten Idee, nach der das Licht ein Wellenvorgang ist. Damit erklärte er systematisch die geradlinige Ausbreitung, die Brechung und die Reflektion von Licht. Auch entwickelte er 1690 eine scharfsinnige, aber leider nur phänomenologische Theorie der Doppelbrechung, ohne jedoch zu erkennen, dass hinter dieser Erscheinung eine neue fundamentale Eigenschaft des Lichtes steckt. Da jedoch Newton in seiner „Optik“ (1704) der Korpuskularvorstellung den Vorzug gab, konnte sich aufgrund seiner Autorität die Wellenvorstellung nicht durchsetzen. Das änderte sich aber, als es 1801 Thomas Young (1773-1829) gelang, die am Doppelspalt beobachteten Interferenzerscheinungen qualitativ mit der Wellentheorie zu erklären. Die Erfahrung zeigte, dass sich das Licht sowohl durch durchsichtige Festkörper, Flüssigkeiten und Gase als auch durch das Vakuum ausbreiten kann. Damals waren den Wissenschaftlern jedoch nur elastische Wellen bekannt. So stand die Frage, warum sich Lichtwellen sowohl in Körpern hoher Elastizität als auch in Körpern geringer oder verschwindender Elastizität ausbreiten können. Um diese Frage zu beantworten, musste man einen hypothetischen Lichtäther einführen, der sowohl das Mikrovakuum als auch das Makrovakuum (d. h. den leeren Raum zwischen den Himmelskörpern) ausfüllen sollte. Diesen Lichtäther stellte man sich einerseits so extrem dünn vor, dass er die Bewegung der Planeten um die Sonne kaum beeinflussen kann. Andererseits sollte er aber auch elastisch genug sein, damit sich das Licht in Form von longitudinalen Ätherwellen in ihm ähnlich wie Schallwellen in der Luft fortpflanzen kann. Den ersten, sehr ernsten Rückschlag erhielt die Idee des elastischen Äthers durch Augustin Fresnel (1788-1827), der sich in seinen Arbeiten wieder mit der Frage der Polarisation des Lichtes auseinandersetzte. Er stellte experimentell fest, dass bei der Wechselwirkung von zueinander senkrecht polarisierten Lichtstrahlen keine Interferenz auftritt. Diese Beobachtung kann man jedoch nur erklären, wenn man annimmt, dass das Licht transversalen Charakter besitzt. Oder anders ausgedrückt: Das Licht ist keine Longitudinalwelle wie beispielsweise eine Schallwelle, sondern eher eine Transversalwelle, wie sie in Festkörpern auftritt. Der Nachweis der Transversalität der Lichtwellen bedeutet demnach, dass sich der Lichtäther ähnlich wie ein Festkörper verhalten muss. Dem widerspricht aber eindeutig die Bewegung der Planeten um die Sonne. Die Entdeckung, dass dem Licht Transversalwellencharakter zuzuschreiben ist, ist ja der eigentliche Kernpunkt des Dilemmas mit dem Äther. Dem Äther mussten Festkörpereigenschaften zugeschrieben werden, wenn er als Trägermedium für das Licht dienen soll. Um die liebgewordene Ätherhypothese zu retten, blieb nichts anderes übrig, als den Lichtäther mit neuen, sich zum Teil widersprechenden Eigenschaften auszustatten. Im Endeffekt konnte man ihm nur einige wenige mechanische Eigenschaften theoretisch widerspruchsfrei zuschreiben. Er sollte ein ruhendes, den ganzen kosmischen Raum ausfüllendes, quasistarres Substrat sein, welches die Aus-breitung von Licht ermöglicht und außerdem ein absolutes Bezugssystem darstellt. Die mechanische Äthertheorie übte jedoch einen solchen Reiz auf die Wissenschaftler aus, dass man trotz der sich immer mehr verschärfenden inneren Widersprüche an einer Präzisierung der eigentlich unhaltbaren Prämissen festhielt. Gelehrte wie Augustin Louis Cauchy (1789-1857), Franz Ernst Neumann (1798-1895) und George Gabriel Stokes (1819-1903) haben daran, wenn auch letztendlich erfolglos, gearbeitet. Noch verwirrender wurde die Situation als es galt, die neuen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre und des Magnetismus in dieses Bild einzuarbeiten. Schon seit langem wusste man, dass die Elektrizität und der Magnetismus durch das Vakuum hindurch wirksam sind. Um diese Wirkung adäquat beschreiben zu können, führte der englische Physiker Michael Faraday (1791-1867) den Begriff des elektrischen und magnetischen Feldes ein. Er schuf die experimentellen Grundlagen für die erste große Synthese zweier Kräfte (Faraday’sches Induktionsgesetzt), die James Clerk Maxwell (1831-1879) dann auch mit seiner Theorie des Elektromagnetismus vollzog. Diese Leistung ist nicht hoch genug einzuschätzen. Seine berühmten vier Gleichungen beschreiben die Struktur des elektromagnetischen Feldes, das demnach durchaus real existiert und neben der Substanz eine neue Art von Materie (im physikalischen Sinn) darstellt. Die Maxwellsche Theorie war die erste echte Feldtheorie in der Geschichte der Physik. Eine Interpretation im Rahmen mechanischer Vorstellungen erwies sich jedoch weiterhin als sehr schwierig, wenn nicht ganz unmöglich. Da man auf die Äthervorstellung nicht verzichten wollte, war man gezwungen, ihn weiter zu modifizieren. Auf diese Weise entstanden teilweise unheimlich anmutende Modelle mit einander berührenden Ätherwirbeln und daraus resultierenden Ätherdrücken und Ätherspannungen. Diese Modelle ebneten jedoch den Weg zu der Erkenntnis, dass sich die elektromagnetischen Erscheinungen letztendlich nicht auf die Mechanik zurückführen lassen. Eine unerwartete Konsequenz der Maxwellschen Gleichungen war die Vorhersage elektromagnetischer Wellen. Aus der Theorie konnte man nämlich eindeutig ableiten, dass eine beschleunigt bewegte elektrische Ladung immer elektromagnetische Strahlung emittiert, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet und dabei Energie transportiert. Elektromagnetische Wellen in Form von Radiowellen wurden einige Zeit später von Heinrich Hertz (1857-1894) experimentell nachgewiesen. Außerdem wurde recht schnell klar, dass das Licht eine elektromagnetische Wellenerscheinung ist. Damit erhielt auch die Optik ein neues Fundament. Was nur noch ausstand, war der direkte Nachweis des Lichtäthers. Überlegungen von Maxwell, aber auch von Hermann Helmholtz (1821-1894) deuteten darauf hin, dass es möglich sein sollte, experimentell eine Bewegung der Erde gegenüber dem als ruhend angenommenen Weltäther festzustellen. Das entsprechende Experiment wurde 1881 von Albert Abraham Michelson (1852-1931) und in stark verbesserter Form 1887 zusammen mit Edward Williams Morley (1838-1923) durchgeführt. Mit Hilfe einer scharfsinnig ersonnenen und präzise aufgebauten Interferometeranordnung (man spricht von einem Michelson-Interferometer) versuchten sie die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen einem Lichtstrahl in Richtung der Erdbewegung und einem dazu senkrechten Strahl zu messen. Wenn das Licht eine Ätherwelle ist, dann sollten sich in Bewegungsrichtung der Erde die Lichtgeschwindigkeit und die Erdgeschwindigkeit addieren. Bei Existenz eines Lichtäthers hätte man demnach eine Geschwindigkeitsdifferenz messen müssen. Das Experiment und auch alle Folgeexperimente mit immer höherer Genauigkeit verliefen jedoch in jeder Hinsicht negativ. 

Es gibt schlicht keinen „Ätherwind“ und damit auch keinen „Lichtäther“. Stattdessen ergab sich die anschaulich nur schwer zu akzeptierende Erkenntnis: Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum ist vom Bewegungszustand eines Beobachters völlig unabhängig. Während man die Nichtexistenz des Äthers mit seinen exotischen Eigenschaften durchaus verschmerzen konnte, führte die daraus abgeleitete Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit zu neuen Konflikten. Es zeigt sich, dass damit die sogenannten Galilei-Transformationen - eine der Grundpfeiler der Klassischen Mechanik - ihre Gültigkeit verlieren. Geschwindigkeiten, die nahe an der Lichtgeschwindigkeit von ~300.000 km/s liegen, lassen sich nicht mehr einfach addieren. Die „Zeit“ selbst ändert sich und hängt vom Bewegungszustand des Bezugssystems ab. Diese wahrhaft revolutionäre Erkenntnis verdanken wir Albert Einstein (1879-1955). 1905 veröffentlichte er die Spezielle Relativitätstheorie, mit der er die Raum-Zeit-Auffassungen der klassischen Physik einer grundlegenden Revision unterwarf. Damit wurden auch der Ätherhypothese endgültig die Grundlagen entzogen. Das Vakuum erwies sich im klassischen Sinn als wirklich leer. Was blieb, waren Teilchen und Felder. Die weitere Geschichte des Vakuums wird durch die ungefähr zur gleichen Zeit entstandene Quantenphysik bestimmt. 

Insbesondere die Entwicklung relativistischer Quantenfeldtheorien führte zu einem neuen und völlig unerwarteten Vakuumbegriff. Es wurde quasi ein neuer „Äther“ entdeckt, der mit seinem klassischen Vorbild nichts mehr zu tun hat, nichtdestotrotz existent ist und sich in Experimenten messbar bemerkbar macht. Er entsteht dadurch, indem man aus einem Raumgebiet sämtliche realen Elementarteilchen, also Protonen, Neutronen, Elektronen, Photonen und Neutrinos (um nur einige zu nennen) entfernt. Das auf diese Weise entstandene Vakuum bezeichnet man als physikalisches Vakuum oder kurz „Quantenvakuum“. Es stellt quasi die experimentell maximal erreichbare „Leere“ dar. Vom mathematischen Vakuum unterscheidet es sich durch den Umstand, dass es weiterhin mit Feldern, die sich in ihrem energetischen Grundzustand befinden, durchsetzt ist. Das mathematische Vakuum stellt dagegen lediglich eine Abstraktion dar. Es lässt sich prinzipiell nicht herstellen. Das „Quantenvakuum“ ist das maximal erreichbare „Nichts“ der Natur. Klassisch lassen sich ihm Eigen-schaften wie eine endliche elektrische und magnetische Feldkonstante zuordnen, deren Wurzel ihres Produktes gerade den Kehrwert der Vakuum-Lichtgeschwindigkeit ergibt. Quantenmechanisch stellt es den tiefsten stabilen Zustand dar, den ein Raumgebiet bei Durchsetzung mit physikalischen Feldern annehmen kann. Dazu muss man wissen, dass in Quantenfeldtheorien jedes Elementarteilchen durch ein Feld beschrieben wird. Ein derartiges Quantenfeld im Vakuumzustand bedeutet, dass keine realen Elementarteilchen vorhanden sind, d. h. die sogenannte Nullpunktsenergie des Feldes (sie ist immer größer Null) reicht nicht aus, um „reale Teilchen“ zu erschaffen. Sie reicht aber aus, dass ständig sogenannte virtuelle Teilchen und Antiteilchen entstehen, die aber innerhalb einer Zeitschranke, die durch die Heisenbergsche Energieunschärfebeziehung gegeben ist, wieder vergehen. Die von der Quantentheorie vorhergesagten „Nullpunktfluktuationen“ zeigen, dass das Quantenvakuum nur im Mittel „leer“ erscheint. Es verhält sich, um einmal eine Analogie zu bemühen, wie die Oberfläche des Ozeans, betrachtet aus einer Raumstation. Je mehr man sich beim Abstieg ihrer Oberfläche nähert, umso stärker treten ihre Wellen in Erscheinung. Könnte man das physikalische Vakuum bis auf eine Längenskala in der Größenordnung der Planck-Länge (~10^-35 m) auflösen, würde man so etwas wie einen „Quantenschaum“ höchster Dynamik erkennen - quasi einen brodelnden See aus Teilchen und Antiteilchen aller Art. Das Quantenvakuum enthält demnach virtuell das gesamte Teilchenspektrum aller bekannten und noch unbekannten Elementarpartikel. Schon deshalb ist zu erwarten, dass das physikalische Vakuum direkten Einfluss auf die beobachtbaren Parameter, wie beispielsweise auf die elektrische Ladung eines Elementarteilchens, nimmt. Und genau das ist auch der Fall, wie eine Vielzahl von Experimenten zeigen. Unter bestimmten Bedingungen können die virtuellen Teilchen „materialisieren“, d. h. zu realen Teilchen werden. Das geschieht beispielsweise bei Zusammenstößen von Elementarteilchen in Teilchenbeschleunigern oder in der unmittelbaren Nähe des Ereignishorizontes eines Schwarzen Loches. Im letzteren Fall spricht man von der Hawking-Strahlung (benannt nach ihrem Entdecker Stephen Hawking), die dazu führt, dass auch Schwarze Löcher letztendlich nicht ewig leben. Eine wichtige Eigenschaft des Quantenvakuums ist, dass ihm raum-zeitliche Bezüge fehlen, oder, anders formuliert, ein Beobachter darf niemals relativ zur „Nullpunktstrahlung“ des Quantenvakuums seinen eigenen Bewegungszustand festzustellen in der Lage sein. 

Diese Forderung führt zu interessanten Konsequenzen, wie bereits 1976 der kanadische Physiker William G. Unruh festgestellt hat. Er hat sich dazu ein „Gedankenexperiment“ ausgedacht, dass ich hier, ohne zu sehr die technischen Termini zu bemühen, kurz vorstellen möchte, da es zeigt, wie man reale Wärmestrahlung aus dem Quantenvakuum erzeugen kann. Eine Aufzugskabine aus einem ideal elektrisch leitenden Material (diese Einschränkung ist notwendig, damit keine elektromagnetische Strahlung von „außen“ in den Kasten eindringen kann, Stichwort universeller Faraday’scher Käfig) befinde sich irgendwo im Kosmos weitab von störenden Gravitationsfeldern. Im Inneren wie auch außerhalb des Kastens herrsche absolutes Vakuum. Die Frage, die sich William Unruh gestellt hat, ist: „Was passiert, wenn dieser Aufzugskasten gleichmäßig beschleunigt wird?“ Wie man bereits im Rahmen der klassischen Elektrodynamik zeigen kann, emittiert genau in dem Augenblick, bei dem die Beschleunigung einsetzt, der ideal leitende Kabinenboden eine elektromagnetische Welle, die sich in Richtung Decke mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Dort wird sie reflektiert, wobei sie einen kleinen Teil ihrer Energie an die Decken-Atome abgibt. Dabei werden Photonen emittiert, deren Spektrum rein thermisch ist und damit dem Planck’schen Strahlungsgesetz gehorcht. Als Ergebnis des Beschleunigungsvorgangs erhält man im Inneren der Aufzugskabine ein stark verdünntes Photonengas aus realen Photonen. Gedanklich macht es überhaupt keine Schwierigkeiten, diese Photonen aus dem Inneren der Kabine abzusaugen und damit zu entfernen. Man muss lediglich die Kabine entsprechend abkühlen. Auf diese Weise entsteht im Kabineninneren wiederum ein Vakuum, das sich aber deutlich von dem Vakuum außerhalb des Kastens unterscheidet. Am deutlichsten erkennt man das, wenn man jeweils einen Photonen-Detektor innerhalb und außerhalb des Aufzugs anbringt und ihre Ausschläge vergleicht. Während der innere Detektor in Bezug auf das Kasteninnere in Ruhe ist, bewegt sich der außen angebrachte Detektor in Bezug auf das umgebende Vakuum beschleunigt. Er muss deshalb auf die Nullpunktfluktuationen des Quantenvakuums reagieren und zeigt deshalb die Präsenz realer Photonen an, während der Detektor im Inneren des Aufzugskastens keinen Ausschlag zeigt. Das bedeutet, dass sich das „innere“ Vakuum auch energetisch von dem „äußeren“ Vakuum unterscheiden muss. Das äußere Vakuum ist ja gerade durch den Umstand, dass seine Energie im Mittel verschwindet, definiert. Akzeptiert man diese Definition, dann ist es vernünftig, dem Vakuum im Inneren des Aufzugskastens eine negative Energie zuzuordnen. Eine Annäherung beider Vakua-Energien ist nur insofern möglich, wenn man die „abgesaugten“ Photonen wieder in den Kasten einbringt. Dann würde sich das „äußere“ Vakuum nicht mehr von dem „inneren“ Vakuum unterscheiden und beide hätten die gleiche Energie. Aus diesen Betrachtungen folgt, dass sich für einen beschleunigten Beobachter dem Spektrum der „Nullpunktstrahlung“ ein Schwarzkörperspektrum überlagert, was dazu führt, dass sich die Nullpunktfluktuationen verstärken. Er bekommt demnach den Eindruck, als ob er sich in einem Strahlungsfeld mit einer von der Größe der Beschleunigung abhängigen Temperatur bewegt. Eine interessante Übungsaufgabe für einen angehenden theoretischen Physiker ist es deshalb, auszurechnen, wie stark man den Aufzug im völlig leeren Weltraum beschleunigen muss (und zwar ohne die Photonen abzusaugen), damit sich sein Inneres in einen komfortablen Backofen verwandelt... (Lösung ~1,2*10^23 m/s²). Dieses Szenario entspricht übrigens ziemlich genau - wegen der Äquivalenz zwischen Schwerkraft und Beschleunigung - den Verhältnissen im Bereich des Ereignishorizontes eines genügend kleinen Schwarzen Lochs. Nutzt man den dortigen Wert für die Schwerebeschleunigung, dann erhält man auch eine entsprechende Unruh-Temperatur und ein damit verbundenes thermisches Strahlungsfeld, die bereits erwähnte Hawking-Strahlung. Solche und ähnliche Überlegungen zeigen, dass die kosmische Leere eine ganz spezielle „Leere“ ist, die sich im Licht der modernen Quantenfeldtheorien als ein hoch dynamischer Untergrund der Welt, als ein Quantenvakuum, entpuppt - quasi ein neuer „Äther“, der mit der klassischen Äthervorstellung nichts mehr zu tun hat. Wenn man den „Weltanfang“ verstehen möchte, muss man auf geeignete Weise das Quantenkalkül in die Beschreibung dieses „Anfangs“ (was für uns einen Anfang in der Zeit bedeutet) mit einbeziehen. Dieser Aufgabe unterzieht sich die sogenannte „Quantenkosmologie“, die sich u. a. bemüht, das Singularitätenproblem der klassischen Kosmologie zu lösen (unendlich kleiner und dichter Materiezustand zum Zeitpunkt Null). Sie ist zwar immer noch hochgradig hypothetisch, aber es scheint so, dass sie vielleicht einmal in der Lage sein wird, den „Urknall“ physikalisch zu erklären. Ihre Grundlage bildet die sogenannte Quantengravitation, d. h. eine Theorie, die auch die Schwerkraft quantenphysikalisch einbezieht und von der es gegenwärtig zwar eine ganze Anzahl verschiedener theoretischer Ansätze, aber noch keine ausgearbeitete Theorie gibt. Das ist zu beachten, wenn man etwas über Branenwelten, Schleifen-Quantengravitation, ekpyrotische Universen oder ähnliches liest. 

2 Kommentare:

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  2. In der ens-These wird der Kosmos als unendlicher Energiekreislauf ohne Urknall hergeleitet. Sie bezieht sich auf virtuelle Teilchen, den Casimir-Effekt, den Compton-Effekt, die Raman-Streuung, eine neue Interpretation von schwarzen Löchern und vielem mehr.
    Das NICHTS wird als ETWAS entlarvt und das Vakuum als brodelnder Quantenschaum ...

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