Marsmenschen und der Krieg der Welten


In der Mitte des 19. Jahrhunderts stellte man sich den Mars noch als ein wahres Paradies für dessen Bewohner, den „Marsmenschen“ (die man sich damals noch nicht als „klein und grün“ vorgestellt hat), vor. Unter der konsequenten Anwendung des Ähnlichkeitsprinzips (Homologie-Relationen nennt man das in der Fachsprache) konnte so ein Redakteur einer Gazette aus dem Jahre 1859 („Die Fackel – Literaturblatt zur Förderung geistiger Freiheit“) wie selbstverständlich folgende Beschreibung über die „Marsbewohner“ seinen staunenden Lesern abliefern: 

„Wie schon erinnert, mag es auf Mars im Durchschnitt ebenso warm sein, als auf der Erde. Da aber das Sommerhalbjahr beinahe so lange währt, als auf der Erde ein ganzes Jahr, so muss im Sommer die Hitze, im Winter die Kälte weit höher steigen als bei uns. Man wird von manchen Fruchtarten in jedem Sommer zwei oder drei Ernten halten. Edle Weine und Südfrüchte kommen in dem langen Sommer zu einer Reife, ihre Weine bekommen ein Feuer, einen würzigen Geruch und Wohlgeschmack, von dem wir uns keinen Begriff machen können. (…) 

Da jeder Körper zehnmal leichter ist als auf der Erde, so muss es den Marsbewohnern sehr leicht werden, sich selbst und große Körpermassen von einem Orte zum anderen zu bewegen. Vielleicht bedürfen sie dazu nicht einmal der Chausseen, ihre Hauptheerstraße ist die Luft. Ihre Luftballone tragen 10mal mehr als die unsrigen, sie bedürfen, um sie zu füllen, nicht eine so feine, kostspielige Luftart wie wir. Wie wir in der ersten Sekunde durch 15, so fallen sie nur durch 6 Fuß; ein Sturz aus beträchtlicher Höhe bringt daher Wenigen Gefahr. Die Kunst in der Luft zu schiffen, lag ihnen näher, ward, früher erfunden, eifriger und mit lohnenderem Erfolg ausgebildet. Handel und Wandel sind in der schönsten Blüthe; man ist lebhaft beschäftigt, die Produkte der verschiedenen warmen und kalten Länder gegeneinander auszutauschen. Fahrten in fremde Marstheile, Reise um den ganzen Mars, welche 5mal kleiner ist als die unsrige, sind etwas sehr Gewöhnliches. Es kennt jeder Marsbewohner alle Städte und Merkwürdigkeiten seines Planeten aus eigener Anschauung. Dagegen besitzt man vielleicht auf dem Mars, weil die mündliche Mitteilung so leicht ist, weil alle Geschäfte durch persönliche Zusammenkünfte abgemacht werden können, weder der Schreibe- noch der Buchmacherkunst. (…) 

Da Mars 5mal kleiner ist als die Erde, so sind muthmaßlich auch seine Menschen 5mal kleiner, Zwerge nach unsern Begriffen, aber wohlgebildete, wohl gar mit Flügeln versehene, um sich ohne weiteres in die Luft erheben zu können“. 

Ein knappes halbes Jahrhundert später glaubten einige Astronomen große Bewässerungsanlagen auf diesem schon von der Farbe her als überwiegend trocken erscheinenden Planeten entdeckt zu haben, die ominösen „Marskanäle“. So ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass sich zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ein Großteil des Bildungsbürgertums Europas und Nordamerikas weitgehend darüber einig war, dass es auf dem Mars eine hochentwickelte Zivilisation gibt, die mit akuter Wasserknappheit zu kämpfen hat und deshalb riesige Kanäle bauen mussten, um das Schmelzwasser der Pole in die warmen Äquatorregionen zu leiten. In manchen Kreisen debattierte man ernsthaft die Frage, wie man mit ihnen Verbindung aufnehmen und mit ihnen kommunizieren könnte. Die Vorschläge – oftmals von durchaus seriösen Wissenschaftlern vorgetragen – erscheinen uns heute nur noch als mehr oder weniger kurios. So gab es ernsthaft den Vorschlag, dass man in Sibirien große Kahlschläge in Form von Buchstaben und Wörtern anlegen sollte, die von den „Marsastronomen“ mit ihren Fernrohren zu erkennen wären. 

Deshalb ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass ein spezielles Medienereignis (wie man heute sagen würde) am Halloween-Tag des Jahres 1938 einen nicht geplanten Verlauf nahm (auch wenn man die Dramatik in Folge später stark übertrieb). An diesem Tag wurde das Hörspiel „Invasion vom Mars“ nach Herbert George Wells (1866-1946) Roman „Krieg der Welten“ über den amerikanischen Rundfunksender CBS ausgestrahlt. Es wurde von dem berühmten Schauspieler und Regisseur Orson Welles (1915-1985, „Citizen Kane“) derart realistisch arrangiert, dass in den Oststaaten eine Massenpanik unter den Zuhörern ausbrach. Was war geschehen? Alle Leute, die sich gerade die Comedy-Sendung „The Chase and Sanborn Hour“ anhörten, wurden von einer Unterbrechung mit einer wichtigen Durchsage überrascht. Zuerst meldet ein Astronom riesige Gasexplosionen auf dem Mars, dann etwas später ein Radiosprecher, dass bei Grovers Mill bei New Jersey ein riesiges flammendes Objekt niedergegangen sei. Dann folgt wieder Musik bis sich ein Reporter vor Ort meldet: „Großer Gott – etwas kriecht aus dem Schatten wie eine graue Schlange. Das sieht wie Tentakel aus. Der Körper ist groß wie ein Bär und glänzt wie nasses Leder. Aber das Gesicht – es – es ist unbeschreiblich!“ Daraufhin begannen die Telefone in den meisten Polizeistationen der amerikanischen Ostküste zu klingeln und besorgte Mitbürger wollten von den genauso überraschten Beamten wissen, was denn nun Sache sei und wie man sich verhalten soll. Vereinzelt soll es in einigen Orten sogar zu Panikattacken gekommen sein, was aber nur für wenige Fälle verbürgt ist. Denn kaum jemand wusste, dass es sich um gut geplante Einstreuungen in das laufende Programm handelte – nur diejenigen, die ganz am Anfang den kurzen Hinweis darauf bewusst erfasst hatten…

Das eigentlich raffinierte war jedoch, das Orson Welles die fiktiven Nachrichteneinblendungen just dann in das CBS-Programm platzierte, als beim Konkurrenzsender NBC in eine Werbepause geschaltet wurde. Alle die jetzt unter Umgehung dieser Werbepause quasi zu CBS „zappten“ (wie wir heute sagen würden), fanden sich auf einmal in einem gänzlich anderen Film wieder, in dem viele nicht ohne Weiteres Wahrheit von Fiktion unterscheiden konnten. Und das Hörspiel traf auf durchaus fruchtbaren Boden, denn es lag Krieg in der Luft. Presse und Radio bereiteten die Bevölkerung schon seit Monaten mit entsprechend beunruhigenden Meldungen aus Fernost (Japan und China) und Europa (Deutschland) darauf vor. Da hielt es natürlich eine ganze Anzahl von Bürgern durchaus für möglich, dass Aliens vom Mars mit Lichtblitzen und Giftgasangriffen Amerika heimsuchen und man sich und seine Familie irgendwie in Sicherheit bringen muss. 

Was sich Georges Wells in seiner Phantasie ausgemalt hat, kann man sich heute im Kino oder auf dem Fernseher bzw. Computermonitor anschauen, denn Hollywood hat natürlich dieses Stück „Weltliteratur“ gleich mehrfach verfilmt. Dabei soll hier nur die durch die Vielzahl von Spezialeffekten überzeugende Fassung von 2005, die unter der Regie von Steve Spielberg entstand und in der Gegenwart spielt, erwähnt werden. 

Dass es auf dem Mars keine „Marsmenschen“ geben kann, war den Astronomen in den 1930er Jahren durchaus klar, denn man wusste mittlerweile, dass der Mars nur eine dünne, nicht atembare Atmosphäre hat, die hauptsächlich aus Kohlendioxid besteht und es dort auch ziemlich kalt ist. Aber die Existenz von mikrobiellem Leben hält man aber auch heute noch für durchaus möglich.

Als man in den 1970er Jahren endlich technologisch soweit war, Landesonden auf dem roten Planeten abzusetzen (Viking 1 und Viking 2), bestand eine ihrer Aufgaben darin, auf der Marsoberfläche nach etwaigen Lebensspuren zu fahnden. Dazu wurden ein paar äußerst raffinierte Experimente durchgeführt, deren Ergebnisse sich jedoch nur schwer interpretieren ließen. Seitdem sind nun schon wieder 40 Jahre vergangen und unser Wissen über dem Mars ist seitdem quasi explodiert. Aber Hinweise auf „Leben“ konnten immer noch nicht gefunden werden. Dabei gab es im Jahre 1996 kurzzeitig einen Hauch von Hoffnung, diesbezüglich doch fündig geworden zu sein. Der damalige US-Präsident Bill Clinton ließ es sich nicht nehmen, die Welt in einer speziellen Pressekonferenz darüber in Kenntnis zu setzen, dass die NASA bei der Analyse eines in der Antarktis gefundenen Meteoriten, der eindeutig vom Mars stammt, mikroskopische kleine Strukturen gefunden hat, die versteinerten bakterienartigen Lebensformen täuschend ähneln. Kurz gesagt, diese Interpretation konnte in der Folge nicht aufrecht erhalten werden, obwohl die länglichen Gebilde, die man auf einer elektronenmikroskopischen Aufnahme einer Bruchfläche deutlich erkennen kann, wirklich wie zu klein geratene mineralisierte Bakterienzellen aussehen. Mittlerweile glauben die Wissenschaftler jedoch, diese Strukturen rein anorganisch erklären zu können.


1 Kommentar: