Quantenuniversen und Cargo-Kult...

Dass die Idee, dass unser Universum aus einem quasi zeitlosen Quantenuniversum (vielleicht zusammen mit vielen anderen) durch so etwas wie eine Vakuumfluktuation hervorgegangen sein könnte, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, konnte 1973 bereits Edward Tryon zeigen. Ihm fiel etwas auf, was bereits zwei Jahrzehnte vorher Pascual Jordan (1902-1980) aufgefallen war: Ein Kosmos mit einer flachen (d. h. euklidischen) Geometrie besitzt die Gesamtenergie Null. In diesem Fall ist nämlich die Summe aller Einzelenergien der Teilchen, die den Kosmos ausmachen, genau so groß wie der Betrag ihrer wechselseitigen Gravitationsenergien (die bekanntlich ein negatives Vorzeichen besitzen). Wenn das aber der Fall ist, dann kann man sich die Heisenbergsche Energieunschärferelation hernehmen (sie lautet, dass das Produkt aus Energie und Zeit immer größer oder gleich einer speziellen Naturkonstante, dem Planck’schen Wirkungsquantum, sein muss) und wie folgt argumentieren: Je mehr sich die Gesamtenergie des Universums dem Wert Null nähert, desto länger erlaubt die Unschärfebeziehung die zeitliche Existenz dieser Fluktuation. Ist der Energiewert sogar exakt Null, dann wird die dazugehörige Quantenfluktuation („Universum“) ewig existieren.

Überlegungen dieser Art nähren die Vermutung, dass es auch jenseits des Urknalls ein Universum gibt, ein Quantenuniversum - vielleicht ohne Zeitlichkeit, mit mehr räumlichen Dimensionen und der Potentialität, aus sich heraus ganze „klassische“ Universen entstehen zu lassen, die dann wiederum so etwas wie ein Multiversum bilden. Wie gesagt, die Physik und Mathematik sprechen nicht dagegen. Aber auch hier steht die Frage nach der Überprüfbarkeit - und die dürfte schwierig werden, denn wir sind kausal in „unserem“ Universum gefangen. Das Einzige, was in dieser Hinsicht vielleicht bleibt, ist die Stringenz einer zukünftigen Theorie, die einen genau definierten, aber prinzipiell nicht überprüfbaren Anfangszustand postuliert. Wenn sie plausibel und auf der Grundlage der Naturgesetze logisch und nachvollziehbar erklärt, was vor 13,7 Milliarden Jahren geschehen sein muss, damit sich ein Universum voller Galaxien, Sterne - und Leben bis hin zur Komplexität des Bewusstseins und der Intelligenz bilden konnte, dann kann man auch den Bedingungen, denen solch eine Theorie zugrunde liegt, vertrauen, ohne sie direkt überprüfen zu können. Aber diesen Status hat noch keine einzige der bis heute vorgeschlagenen Quantengravitationstheorien erreicht. 

Das Problem, welches sich hier durchaus ernsthaft stellt, hat der berühmte Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman (1918-1988) in seinem durchaus lesenswerten Buch „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman“ in der Art kritisch hinterfragt, dass es sich bei einer Wissenschaft, die sich außerhalb der Möglichkeiten sinnvoller experimenteller oder beobachterischer Überprüfung bewegt, eigentlich um keine „echte“ Wissenschaft, sondern um eine Art „Cargo-Kult-Wissenschaft“ handelt. Das trifft für einige Aspekte der Kosmologie (ich denke da z. B. an das „ekpyrotische Universum“ nach Steinhardt und Turok, das als Grundlage die noch nicht verifizierte Stringtheorie in Form deren Verallgemeinerung auf „Branen“ verwendet) durchaus zu, weshalb man sie auch nicht unbedingt zu ernst nehmen, sondern eher als Hypothese, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, betrachten sollte. Gerade populärwissenschaftliche Darstellungen des Gegenstandes vermitteln scheinbar eine Gewissheit, die in dieser Weise aber gar nicht besteht. Kosmologie zu betreiben, ist ein schwieriges Geschäft, bei dem es selbst für einen Insider nicht einfach ist, harte Fakten von reinen Spekulationen zu trennen. Schon Lew Dawidowitsch Landau (1908-1968) wusste 1962 über die Kosmologen zu berichten: „Kosmologen sind oft im Irrtum, aber nie im Zweifel“, womit er wohl den Nagel auf den Kopf getroffen hat. 

Doch zurück zum Begriff der „Cargo-Kult-Wissenschaften“, von denen einige Aspekte durchaus auch auf manche Mainstream-Forschungsfelder zutreffen. Aber eben nur manche. Echte Hardcore-Cargo-Kult-Wissenschaften sind nämlich von Blödsinn kaum oder überhaupt nicht zu unterscheiden und werden deshalb von ernsthaften Wissenschaftlern nicht verfolgt. Auf mindestens drei bin ich in diesem Blog, wie der aufmerksame Leser sicherlich festgestellt hat, bereits eingegangen: die Höllentopographie, die Astrologie und die Homöopathie. Alle diese „Fachgebiete“ nehmen in Anspruch, wissenschaftlich zu arbeiten. 

Und doch ist es bei näherer Betrachtung bloß Blödsinn, was sie produzieren. Gut, also was ist überhaupt „Cargo-Kult“, auf den sich Richard Feynman auf seiner Abschlussrede am Caltech (California Institute of Technology) im Jahre 1974 explizit berufen hat? Wer einmal den durchaus eindrucksvollen Film „Erinnerungen an die Zukunft“ auf der Grundlage des gleichnamigen Buches Erich von Dänikens gesehen hat (hier handelt es sich um verfilmte Cargo-Kult-Wissenschaft), wird sich vielleicht an die Eingangsszene erinnern. Da werden Südseeinsulaner gezeigt, die neben aus Holz und Stroh gebauten Flugzeugattrappen sitzen und sehnsüchtig auf die Militärflieger warten, die ihnen während des zweiten Weltkrieges die eine oder andere Errungenschaft der westlichen Zivilisation gebracht haben. Damals landeten und starteten regelmäßig Flugzeuge von schnell angelegten Feldflugplätzen und sie sahen, wie Schiffe an- und ablegten und Dinge mitbrachten wie Schokolade, nützliche Werkzeuge, Radios und Funkgeräte, die sie so zuvor noch nie gesehen hatten. Doch dann war der Krieg vorbei und das Militär zog ab. Die Flugzeuge landeten nicht mehr, und es legten auch keine Schiffe mehr an. Die Lieferungen blieben aus, und die Insulaner vermissten all diese für sie erstaunlichen und nützlichen Dinge. Also bauten sie sich Kopfhörer und Mikrophone aus Holz, setzten sich in Bambushütten und taten so, als würden sie über Funk mit den Flugzeugen Kontakt aufnehmen. Sie stellten sich auf verwaiste Landebahnen und gestikulierten mit hölzernen Paddeln, um die Flugzeuge, die nicht kamen, einzuweisen. Sie machten alles genauso, wie sie es bei den Soldaten gesehen haben – zwar mit Erwartung, aber ohne Erfolg. Denn die Flugzeuge landeten nicht mehr und auch Schiffe ließen sich nicht mehr blicken. Diese Art von „Kult“ wird seitdem von den Ethnologen „Cargo-Kult“ genannt. Erich von Däniken wollte damit zeigen, wie primitive Völker auf die Ankunft von „Außerirdischen“ reagieren, die er für eine Vielzahl von „Götterkulten“ rund um den Erdball verantwortlich machte. Richard Feynman nutzte diesen Begriff, um damit pseudowissenschaftliche Konzepte zu bezeichnen, die sich bemühen, nach außen seriös wissenschaftlich zu wirken, aber sich bei genauerem Hinsehen als Blendwerk erweisen. Ihre Repräsentanten mögen zwar in weißen Laborkitteln daherkommen, was sie aber machen, ist das Gleiche wie die Südseeinsulaner: sie warten auf Flugzeuge, die nie ankommen. 

Nicht nur in den Naturwissenschaften ist es wichtig zu vermeiden, sich selbst und andere zu täuschen, in dem man seine Ergebnisse frisiert oder dem Zeitgeist anpasst; in dem man vergisst, auf die Dinge hinzuweisen, die gegen die veröffentlichten Forschungsergebnisse sprechen oder in dem man Hypothesen zu Theorien stilisiert, die sie nicht sind. Und man muss immer bereit sein, seine Forschungsergebnisse in die Tonne zu kloppen, wenn sie sich – so schön sie auch sein mögen – letztendlich als falsch erweisen. 

Nichtdestotrotz ist der gegenwärtige Wissenschaftsbetrieb nicht gegen Cargo-Kult gefeit, wie einige Wissenschaftsskandale der jüngeren Vergangenheit deutlich gemacht haben. Und ob man manche Themen der „Gender Studies“ nicht auch dazu zählen sollte, soll an dieser Stelle offen bleiben. Wenn Richard Feynman noch leben würde, hätte er sicherlich auch einige Ansichten der gegenwärtigen „Klimawissenschaften“ als „Cargo-Kult-Wissenschaft“ entlarvt, denn gerade bei ihnen zeigt sich die enge Verflechtung zwischen Wissenschaft und Politik, die hier, vermittelt durch staatliche Forschungsgelder, so etwas wie eine Symbiose eingegangen sind. Man erkennt das z. B. daran, dass Studien, die nicht die Erwartungshaltung befriedigen (menschengemachter Klimawandel), schnell von anderen Wissenschaftlern (oder Politikern) verworfen oder ignoriert werden, anstatt sie nach den Methoden der Wissenschaft ergebnisoffen zu falsifizieren oder, wenn das nicht gelingt, sie als augenscheinlich richtig anzuerkennen.

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