Sternendeuter, Horoskope und naturwissenschaftliche Bildung


Einer der größten Wissenschaftler deutscher Zunge (wenn nicht der Größte überhaup!), Johannes Kepler (1571-1630), musste von der Erstellung von Horoskopen leben, ohne von ihnen gänzlich überzeugt zu sein. Von ihm stammt das Zitat

Es ist wol diese Astrologia ein närrisches Töchterlein … aber lieber Gott | wo wolt jhr Mutter die hochvernünftige Astronomia bleiben | wenn sie diese jhre närrische Tochter nur hette | ist doch die Welt viel närrischer | und so närrisch | daß deroselben zu jhrer selbst frommen diese alte verständige Mutter die Astronomia durch der Tochter Narrentaydung | … | nue eyngeschwatzt und eyngelogen werden muß | Auch sind sonsten der mathematicorum salaria so seltsam und gering, daß die Mutter gewißlich Hunger leiden müßte, wenn die Tochter nichts erwürbe.

Man findet es in seiner 1610 in Frankfurt/M. erschienen Schrift „Tertius interveniens, das ist die Warnung an etliche Theologos, Medicos und Philosophis, sonderlich D. Philippum Feselium, daß sie bey billicher Verwerffung der Sternguckerischen Aberglauben / nicht das Kindt mit dem Badt außschütten / und hiermit ihrer Profession vnwissendt zuwiderhandlen“, wer es einmal im Original nachlesen möchte.

Als „Astrologie“ wird gemeinhin die esoterische Vorstellung bezeichnet, dass sich aus den Positionen von Himmelskörpern (insbesondere der Planeten) zur Geburt eines Menschen dessen Schicksalswege und Persönlichkeitsmerkmale vorhersagen lassen. Diese „volkstümliche“ und auch heute noch sehr populäre Lehre ist in ihrer „ernsten“ Form viel komplexer als man gemeinhin anzunehmen gedenkt, wenn man in Boulevardblätter Horoskope liest. Sie selbst hat eine sehr lange Geschichte und Tradition hinter sich, die bis zu den Babylonier und Assyrer zurückreicht und die erst zu Beginn der Neuzeit (zumindest in der alten Welt) von der Astronomie methodisch getrennt wurde. Die meisten Astronomen des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit waren deshalb auch oft anerkannte Astrologen, denn in der damaligen akademischen Ausbildung wurde Astronomie und Astrologie fast immer zusammen gelehrt. Die erste große Kodifizierung der Astrologie mit dem Versuch, physikalische Wirkübertragungsmechanismen auf das Schicksal der Menschen zu postulieren, stammt von Claudius Ptolemäus (um 100 bis 175). In seinem Werk „Tetrabiblos“ (die „vier Bücher“, um 150 n. Chr.) gelingt ihm eine Zusammenfassung der hellenistischen astrologischen Vorstellungen, die er mit der Vorhersage astronomischer Erscheinungen wie spezielle Planetenkonstellationen, Mondphasen, Verfinsterungen etc. verbindet. Dabei wird ihm, wie auch vielen seiner Nachfolger, die fatalistische Natur der Astrologie durchaus klar, die in ihrer konsequenten Form per se jede freie Willensentscheidung verneint. Dieses Dilemma der klassischen Astrologie konnte in der Folge nur abgeschwächt, aber nie vollständig gelöst werden und stellt in der aufgeklärten Welt auch heute noch das wichtigste Gegenargument für eine astrologische Weltsicht dar (Warum unterscheiden sich die Lebenswege und Charaktere von Zwillingen, die unter den gleichen „Sternzeichen“ geboren wurden, oft fundamental?).

Erste Zweifel an der erklärten Funktionsweise der Astrologie kamen in der Renaissance auf, als z. B. Giovanni Pico Della Mirandola (1463-1494) seine in seinen „Disputationes adversus astrologiam“ beschriebenen statistischen Untersuchungen über astrologische Wettervorhersagen versus „wahres Wetter“ veröffentlichte. Auch Johannes Kepler, der, wie bereits erwähnt, einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Lebensunterhaltes mit der Erstellung von Horoskopen bestreiten musste, hatte gewisse Zweifel an der schicksalhaften Bedeutung der Sterne, ohne dass er die Astrologie jedoch gleich völlig ablehnte. Die stärksten Gegenargumente in Bezug auf die Astrologie ergeben sich nicht aus ihrer mangelnden empirischen Bestätigung, sondern aus ihrer inneren logischen Struktur und sind damit erkenntnistheoretischer Natur. Die Frage ist, ob es überhaupt logisch möglich ist, die Astrologie mit einem Inhalt zu versehen, der die von ihr behauptete Einflussnahme der Gestirne auf die menschlichen Charaktereigenschaften in eine nachvollziehbare und überprüfbare Wirkungskette überführt, auf die wiederum die von Karl Popper (1902-1994) formulierten Anforderungen an eine wissenschaftliche Theorie angewendet werden kann. Diese Frage muss vom wissenschaftlichen Standpunkt aus verneint werden. Das erkennt man bereits daran, dass die Astrologie mit Symbolen und Beziehungen zwischen diesen Symbolen arbeitet, die sich, wenn man sie genauer betrachtet, als künstliche Konventionen erweisen und wie Dogmen behandelt werden (so wie die Tierkreiszeichen). Es ist beispielsweise hochgradig unverständlich, warum gerade die Sternbilder des Tierkreises im Zusammenspiel mit den Planeten, mit Sonne und Mond, die sich gerade darin aufhalten, irgendwelche Wirkungen auf Menschen ausüben sollen und andere auffällige Objekte wie z. B. das Sternbild Orion oder der Stern Sirius, nicht. Es ist deshalb richtig, trotz der wissenschaftlichen Methodologie, der sich Astrologen beim Erstellen von Horoskopen bedienen, hier von einer Pseudowissenschaft (oder „Cargo-Kult-Wissenschaft“) zu sprechen. Diese Einschätzung ist schon deshalb geboten, weil die Astrologie immanent resistent gegen intersubjektive Überprüfbarkeit ist und auch jegliche Offenheit gegenüber empirische Falsifizierbarkeit vermissen lässt. Das große Interesse an der Astrologie in der heutigen Zeit lässt sich leicht aus dem Wunsch jedes Menschen erklären, etwas über sein künftiges Schicksal zu erfahren. Die Antwort der Wissenschaft ist dagegen eher nüchtern. Komplexe Systeme, wie die menschliche Gesellschaft, in die jedes Individuum eingebunden ist, sind prinzipiell nicht prognostizierbar. Hier bietet die Astrologie eine scheinbare Lebenshilfe, was man durchaus nicht immer kritisch sehen muss. Dort wo naturwissenschaftliche Bildung unterentwickelt ist oder fehlt, was für den größten Teil der Menschheit zutrifft, wird man sich im Alltagsleben natürlich mehr von esoterischen als von naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten leiten lassen. Und dafür ist ein Horoskop ein ideales Mittel. Dessen Beliebtheit unter den mehr schlichten Gemütern unter uns rührt u. a. davon her, dass zumindest die Horoskope, die man in diversen Boulevardblätter wöchentlich lesen kann (und die mit „echten“ Horoskopen weiß Gott nichts zu tun haben!), scheinbar eine hohe Trefferquote aufweisen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn ihre von professionellen (man lese „geldgeilen“) Astrologen am Fließband produzierten Aussagen sind sehr allgemein gehalten, unterschwellig positiv besetzt und bewirken eine Art Wiedererkennungseffekt. Dem liegt die psychologisch verständliche Neigung zugrunde, vage und allgemeine und unterschwellig positiv besetzte Aussagen über sich selbst als zutreffend zu empfinden.



Wichtig für Kreuzworträtsellöser: Seni war Wallensteins Astrologe....


Keplers Horoskop für Wallenstein

Wer schon immer mal wissen wollte, warum Astrologie nicht funktionieren kann (F. Freistetter, pdf)

Johannes Kepler, einer der größten Astronomen und Mathematiker aller Zeiten

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