Sintflut, Great Spokane Flood und Jökulhlaups

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In letzter Zeit wird die „Sintflut“ auch mit einem Ereignis in Zusammenhang gebracht, welches ungefähr 5500 v.Chr. stattgefunden haben soll – der „Dammbruch“ am Bosporus, bei dem sich innerhalb kürzester Zeit riesige Wassermengen in das damals nur halb gefüllte Becken des Schwarzen Meeres ergossen. Mit dem Ende der Würm- (bzw. Weichsel-) Eiszeit kam es durch das Abschmelzen des Inlandeises zu einem merklichen Meeresspiegelanstiegs, der natürlich auch das Mittelmeer erfasste. Dabei wurde irgendwann die Landenge, die das Marmarameer vom Schwarzen Meer trennte, überflutet und weggerissen, so dass sich plötzlich riesige Wassermassen in das über 100 m tiefer liegende Schwarzmeerbecken ergossen. Zu dieser Zeit waren die Randbereiche des Schwarzen Meeres durchaus schon verhältnismäßig dicht besiedelt, wie entsprechende archäologische Artefakte beweisen. Die Menschen mussten sich also schnell aus dem Staub machen, um den rapide vonstatten gehenden Anstieg des Pegels des Schwarzen Meeres zu entkommen. Vielleicht, so meinen einige Wissenschaftler, hat gerade diese existentielle Erfahrung, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde, zum Aufkommen der Sintflut-Saga geführt. Während der sogenannten känozoischen Eiszeiten hat es übrigens weltweit eine ganze Anzahl von plötzlichen Flutereignissen gegeben, denen aber sicherlich nur wenige Menschen (damals gab es davon auch noch nicht sonderlich viele) zum Opfer gefallen sind. 

Einige der größten fanden im nördlichen Amerika im Bereich der Columbia River Plateaus (Bundesstaaten Washington und Oregon) vor 13.000 bis 15.000 Jahren statt, wodurch die sogenannten „channeled scablands“ entstanden (siehe Foto oben). Die Vielzahl der Täler, die sich tief in den harten Basalt des Columbia Plateaus eingeschnitten haben, unterscheiden sich von anderen durch Wasser oder Eis ausgeräumten Täler durch ihre rechteckigen Querschnitte, was bereits in den 1920er Jahren zu einer hitzigen Debatte unter den Geologen bezüglich ihrer Entstehung geführt hat. Im Bereich von Aufsandungen haben sich darüber hinaus Rippelmarken erhalten, die in ihrer Größe und Ausprägung einzigartig sind. Die heute trocken liegenden Böden der Kanäle besitzen streckenweise Vertiefungen, die sich am einfachsten als Kolke interpretieren lassen. Dazu kommen noch ganze Kaskaden von ehemaligen Katarakten, stromlinienförmige „Inseln“ sowie große, über lange Strecken transportierte und dann liegengebliebene Gesteinsblöcke. Der Geologe J. Harlen Bretz (1882-1981) war der Erste, der sich auf diese Geländemerkmale einen Reim machte und damit eine wissenschaftliche Debatte vom Zaun brach. Heute, nach über 90 Jahren Feldforschung in dieser Region, werden seine Ideen allgemein anerkannt und die Entstehung der scablands stellt sich in vereinfachter Form wie folgt dar: 

Am Ende der letzten Eiszeit staute ein zurückweichender Gletscher den glazialen Clark Fork River und es entstand ein riesiger Gletschersee („Lake Missoula“) mit einer Gesamtfläche von etwa 7700 km², einer Tiefe von etwa 600 m und einem Wasserinhalt, der ungefähr dem des heutigen Michigan-Sees entspricht. Seine Küstenlinie kann man noch heute, quasi in versteinerter Form, an den Hängen der Sentinel Mountains bei Missoula (Montana) erkennen. Als der Eisdamm schließlich brach, ergossen sich vor ca. 15.000 Jahren innerhalb weniger Tage bis maximal 2 Wochen die Wassermassen des Gletschersees katastrophenartig in das Gebiet des Columbia River-Plateaus südwestlich von Spokane, wobei Ausflussraten von mehreren km³ pro Sekunde sowie Ausflussgeschwindigkeiten von bis zu 100 km/h erreicht wurden. Eine derartige Flut wiederholte sich über zwei Jahrtausende hinweg etwa 40-mal mit entsprechenden Zwischenräumen, in denen sich der Lake Missoula wieder auffüllte. 

Diese Serie von Flutereignissen wird unter dem Namen „Great Spokane Flood“ zusammengefasst. Die erste und größte Flutwelle hat dabei fast vollständig die Lößbedeckung der miozänen Columbia River-Basalte entfernt, bevor sie begann, sich tief in den harten Untergrund einzuarbeiten. Die ursprüngliche Lößbedeckung ist vollständig intakt nur noch auf einigen der stromlinienförmigen „Inseln“ erhalten geblieben, die also offensichtlich nicht überflutet wurden. Die Talbildung selbst erfolgte dabei hauptsächlich durch die enorme Erosionskraft zurücklaufender Katarakte, wie man es noch heute (wenn auch um vieles langsamer) bei den Niagarafällen beobachten kann. Insgesamt wurden in den scablands über 200 km³ Gestein abgetragen und verfrachtet. Wie bereits erwähnt, wiederholten sich derartige Überflutungen mehrfach, da sich der Eisdamm durch Gletschervorstöße immer wieder neu aufbaute. Am Unterlauf der Strömungen kann man heute noch die riesigen Geröllhalden und Kiesbänke besichtigen, die von der Kraft des fließenden Wassers künden. 

Solche katastrophenartigen Entleerungen von Gletscherseen, wenn auch in viel geringerem Ausmaß, kamen während der Eiszeiten auch an anderen Orten vor. Als Beispiel soll hier nur das Gebiet um den Porcupine River im nördlichen Alaska genannt werden. Aber auch im Gebiet des Aral-Sees und des Kaspischen Meeres hat man Landschaftsformen entdeckt, die auf ausgedehnte Flutereignisse am Ende der letzten Eiszeit hinweisen.

Dass Gletscherseen, wenn sie plötzlich ihre Wassermassen talwärts freigeben, innerhalb kürzester Zeit ganze Täler ausräumen können, lässt sich sehr gut an den sogenannten Jökulhlaups („Gletscherlauf“) studieren. Unter diesem isländischen Wort versteht man die schlagartige Entleerung von Seen, die sich beispielsweise aufgrund einer vulkanisch bedingten Erwärmung eines Eisschildes oder Gletschers unter der Eisschicht gebildet haben. In der Geologie wird dieser Begriff aber auch ganz allgemein für alle mit Gletschern im Zusammenhang stehenden Flutereignissen verwendet. Ein Fallbeispiel ist der große Gletscherlauf von 1996 im Bereich des Skeidararjökull im südlichen Island. Ausgangspunkt war der Vulkan Vatnajökull, der fast vollständig unter einer Eiskappe verborgen ist. Als dieser Vulkan 1996 wieder einmal ausbrach, begannen die umgebenden Gletscherseen durch das Schmelzwasser schnell anzusteigen, wodurch ihre Eisbarrieren brachen und riesige Wassermengen ins Tal abflossen. Dabei konnte man im Bereich des südlich vorgelagerten Sanders Skeidararsandur, quasi im Kleinen, die Entstehung von scabland-ähnlichen Strukturen live beobachten. Die Wassermassen hatten dabei bis zu 10 Meter große Eisblöcke mitgerissen und eine massive Stahlbrücke zerstört. Hier traten zwei Naturgewalten, Feuer und Eis in Wechselwirkung, um zusammen zerstörerische, existenzbedrohende Fluten zu erzeugen, die auch Eingang in nordische Weltuntergangsmythen gefunden haben.

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